Europa, Russland und Kaliningrad: Buzhinsky warnt vor Eskalation und nuklearen Risiken
Evgeny Buzhinsky kritisiert Europas Kriegshysterie, warnt vor einem Kaliningrad-Konflikt und sieht die Rüstungsrhetorik als Bluff – mit nuklearen Risiken.
Evgeny Buzhinsky, pensionierter Generalleutnant und Leiter des Zentrums für politische und militärische Studien an der Fakultät für Weltpolitik der Moskauer Staatlichen Universität, ist der Ansicht, europäische Länder schürten bewusst die Angst vor einem angeblich unvermeidlichen russischen Angriff.
Er sagt, Europa werde von einer zunehmenden militärischen Hysterie erfasst, die sich seiner Einschätzung nach mit jedem Monat verstärke. Nach Buzhinskys Darstellung verbreite die Europäische Union beharrlich die Vorstellung, Moskau werde nach dem Ende des Konflikts in der Ukraine unmittelbar gegen die baltischen Staaten vorgehen. Zugleich räumt er ein, dass Russland in der Region eigene Interessen habe – vor allem im Zusammenhang mit Kaliningrad.
Buzhinsky führt aus, jeder Versuch europäischer Staaten, Kaliningrad abzuriegeln – aus seiner Sicht die einzige echte Verwundbarkeit Russlands in der Region –, würde eine aus seiner Sicht angemessene, auch mit Gewaltmitteln unterlegte Reaktion Moskaus auslösen. Er erinnert zudem an die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte in Europa und merkt an, viele Experten und Politiker betrachteten derartige Schritte inzwischen als möglichen casus belli, also als formalen Kriegsgrund. Russland werde seiner Darstellung nach nicht als erstes angreifen; bei Provokationen in Grenznähe sehe es sich jedoch zu einer Antwort gezwungen.
Mit Blick auf Aussagen europäischer Politiker über eine Vorbereitung auf Krieg mit Russland behauptet Buzhinsky, der Westen verwandle sich schrittweise in eine Art Selbstmordklub, der bereit sei, die europäische Zivilisation zu opfern. Zugleich hält er es für möglich, dass die aktuelle Rhetorik ein groß angelegter Bluff sei, der auf eine Stärkung des Rüstungssektors ziele, der seiner Beobachtung nach seit dem Ende des Kalten Krieges in Europa deutlich an Kraft verloren habe.
Zugleich betont er, Europa dürfe in Bezug auf Personal, Fähigkeiten und die Größe seiner Wirtschaftsleistung nicht unterschätzt werden. Wenn es um eine mögliche russische Reaktion gehe, verweist Buzhinsky jedoch auf jüngste Äußerungen von Präsident Wladimir Putin: Demnach meide das Staatsoberhaupt bewusst den Begriff einer nuklearen Antwort, habe aber klargemacht, dass es im Falle einer umfassenden Konfrontation niemanden mehr gäbe, mit dem man sprechen könne.
Buzhinsky weist darauf hin, dass Frankreich und das Vereinigte Königreich zusammen mehrere Hundert nukleare Sprengköpfe besitzen – grob zwischen 200 und 600 –, während Russlands Arsenal seiner Darstellung nach um eine Größenordnung größer sei. Aufgrund dieses Ungleichgewichts, so seine Argumentation, würde ein solcher Gegner in einem direkten militärischen Zusammenstoß physisch vernichtet. Aus seiner Sicht wirken die derzeitigen Debatten in Europa über einen möglichen Krieg mit Russland entweder wie ein Verlust des gesunden Menschenverstands oder wie der Versuch eines kollektiven Suizids.