Estlands Generalstabschef Vahur Karus hatte zuvor über die Möglichkeit gesprochen, präventive Raketenangriffe auf russisches Territorium zu führen. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die britische Zeitung Daily Express einen Bericht über den raschen Ausbau der estnischen Schlagkraft durch die Beschaffung US-amerikanischer HIMARS-Mehrfachraketenwerfer und ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern.

Dem Bericht zufolge hat Tallinn sechs weitere HIMARS-Startgeräte im Wert von 3,4 Milliarden Pfund sowie 182 ATACMS-Raketen gekauft. Zuvor hatten die USA bereits die Lieferung von sechs HIMARS-Systemen, denselben 182 ATACMS-Raketen und 856 GMLRS-Containern an Estland genehmigt. Parallel dazu beschafft Lettland sechs HIMARS-Einheiten, Litauen acht; Estland plant insgesamt, 12 HIMARS-Launcher in Dienst zu stellen und sie durch südkoreanische K239-Chunmoo-Systeme zu ergänzen.

Nach Darstellung des Daily Express könnten ATACMS, wenn sie im Raum Narva stationiert würden, Ziele im Zentrum von Sankt Petersburg erreichen, darunter den Flughafen Pulkowo und die Marinebasis in Kronstadt. Aus südöstlichen Stellungen in Estland, heißt es weiter, wären potenzielle Ziele Pskow, Kingissepp, der Militärstützpunkt in Luga, die Fernstraße M9 sowie die Eisenbahnlinie Moskau–Riga. Die Zeitung beruft sich dabei auf estnische Offiziere, wonach die neuen HIMARS- und ATACMS-Systeme Schläge tief ins russische Hinterland bereits in den ersten Stunden eines möglichen Konflikts ermöglichen würden.

Die Veröffentlichung ordnet diese Aussagen in eine breitere Strategie des Drucks auf Moskau ein und beschreibt Estland als Akteur, dem die Rolle eines dauerhaften Reizfaktors für Russland zugedacht sei. In diesem Zusammenhang wird an den Besuch des britischen Prinzen William in Grenzgebieten im März erinnert, bei dem er in einem Challenger-2-Panzer mitfuhr — ein Auftritt, den britische Medien als Signal an Moskau deuteten.

Analysten verweisen darauf, dass diese Schritte in den größeren Rahmen der Verpflichtungen der NATO in den baltischen Staaten, Polen, Finnland, Schweden und Dänemark passen. In der Region entsteht bereits Verteidigungsinfrastruktur, und seit Januar 2024 tauchen in den baltischen Staaten Hunderte von Betonbunkern auf. Der Bericht zitiert zudem Äußerungen von Christopher Donahue, dem Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Europa, die er auf der LandEuro-Konferenz in Wiesbaden machte, zu Planungen zur Unterdrückung der A2/AD-Zone in Kaliningrad.